A Car-less Whisper zum Aus für den Kutter-Biergarten

Über PS auf den Straßen, Pferdeäpfel im Oberstübchen und warum (junge) Menschen die Umwelt stören.

Geht es nach dem Willen des Aschaffenburger Stadtrates, soll es dieses Jahr keinen Kuttergarten am Main geben.

Zwei Sommer lang durfte der Verein „ Musik- Kunst & Kunstinitiative e.V.“ -kurz Kutter- nach Beginn der Corona-Pandemie auf der Main-Seite des Stadtteils Leider nahe des Freibads einen Biergarten betreiben.

Mit dem Biergarten wurden primär keine kommerziellen Ziele verfolgt: Der Kutter e.V. veranstaltete dort vielfältige kulturelle Veranstaltungen.
Damit ist aber nun Schluss: Eine entsprechende Sondergenehmigung der Stadt wird es für 2022 nicht mehr geben:
Die Verwaltung machte zum einen baurechtliche Einwände geltend, zum anderen aber auch eine Unterschriftenliste von Anwohner*innen aus dem Pompejanum-Viertel.

Laut Verwaltung hätten die Veranstaltungen, die eh nie länger als bis 22.00 Uhr stattfinden durften, im Kutter-Biergarten zwar nie irgendwelche Lärmschutzwerte überschritten, aber dumpfe Bässe hätten trotzdem die Bewohner*innen des Pompejanum-Viertels gestört. Auf die insgesamt 100 Unterschriften der Anwohner*innen meinte die Verwaltung Rücksicht nehmen zu müssen. Die über 4.500 Unterschriften, die bisher (Stand 29.03.2022- 17.00 Uhr) für den Erhalt des Kutter-Gartens per Online-Petition zusammen gekommen sind, veranlassten die Stadtverwaltung bisher zu keiner Rücknahme ihrer Entscheidung.

Oberbürgermeister Jürgen Herzing hat lediglich in Aussicht gestellt, sich um einen etwaigen alternativen Standort für den Kuttergarten zu bemühen.
Nun liegt das Pompejanum-Viertel, eine Wohngegend mit überwiegend teuren Immobilien, ein paar hundert Meter vom Kutter-Biergarten entfernt auf der anderen Mainseite. Wesentlich näher am Viertel liegen dagegen zwei der vielbefahrensten Straßen in Aschaffenburg: die Hanauer Straße und die Ebertbrücke.
Aber der Autolärm, der von dort rund um die Uhr zu hören ist, scheint nicht der Rede wert, nein es sind -wie so oft- mal wieder (jugendliche) Menschen, die – abends und nur zu sehr begrenzten Zeiten – stören.
Hier zeigt sich beispielhaft das ganze Ausmaß einer total verfehlten Jugend-, aber auch Verkehrs- und damit Klima- und Umweltschutzpolitik, die von einer breiten Mehrheit des Aschaffenburger Stadtrates getragen wird:


Grundsatz 1: Jugendliche stören – Für junge Menschen gibt es in der Stadt so gut wie keine nicht-kommerziellen Freizeitangebote, die den kulturellen Ansprüchen gerade von älteren Jugendlichen gerecht werden. Im Gegenteil – für das normale Bedürfnis von Jugendlichen, auch mal länger als bis 22.00 Uhr auf mitunter etwas lautere Musik zu feiern, gibt es von Seiten der Stadtverwaltung wenig Verständnis: Und wenn Jugendliche sich dann doch mal etwas lebhafter das Recht auf ihre Stadt nehmen, dann rücken Verwaltung und Innenstadtgastronomen (die ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran haben, dass Jugendliche in ihren Lokalitäten vergleichsweise teure Getränke statt auf der Straße günstigere Supermarktdrinks konsumieren) zusammen, wie schon 2012 in einer breit angelegten Plakatkampagne, in der junge Menschen mit Slogans wie „Benimm Dich! Oder bleib zuhause, bis Mutti Dich erzogen hat“ ziemlich unverhohlen als unerwünschte Störenfried*innen dargestellt wurden. (zu bewundern nach wie vor im Foyer des Ordnungsamtes des Stadt)
Die Stellungnahme Stadtverwaltung, in welcher sie ihre jahrelange (aber erfolglose) Unterstützung des Vereins auf der Suche nach festen Standorten hervorhebt, scheint da reichlich vorgeschoben zu sein: Geeignete Objekte gäbe es sicher in der Innenstadt oder in Innenstadt-nahen Stadtteilen genug, (z.B. das ehemalige Impress-Gelände in Damm).


Grundsatz 2: Die Innenstadt ist zum Konsumieren da! Sie wird nicht als sozialer Ort verstanden, in welchem Bewohner*innen aller Altersgruppen öffentlich und ohne Konsumzwang zusammen kommen, kommunizieren und feiern könnten. Nein, alle Straßen und Plätze sind so angelegt, dass Geschäfte, Konsum und Kapitalismus reibungslos funktionieren. So verwundert auch kaum, dass Autos auch die letzten Ecken der Innenstadt befahren können (von Fußgänger*innenzonen kann in Aschaffenburg eh kaum die Rede sein), aber öffentlicher Raum für Treffen und Zusammenkünfte von Menschen – außerhalb eines rein auf Konsum und Einkauf angelegten Aufenthaltes – wenig attraktiv sind. Beispielhaft hierfür steht der Theaterplatz, bei dessen Neugestaltung Anfang der Nuller Jahre sich ganz bewusst für eine öde Betonfläche entschieden wurde, statt – wie bei den damaligen Entwürfen auch vorgeschlagen – für einen kleinen grünen Park, der vielmehr zum Verweilen eingeladen hätte.
Urban gibt sich die Stadt nur in ihrem innerstädtischen hohen Individualverkehrsaufkommen oder in ihren Repräsentationsbauten für den Tourismus.
Abends verwandelt sich die Stadt jedoch in ein Dorf. Zumindest soll es dann öffentlich keine allzu wahrnehmbaren menschlichen Regungen mehr geben. Während der Lärm von Autos oder von Interessensgruppen, die den konservativen Vorstellungen der Mehrheit der Stadträt*innen genehm sind, ungleich toleranter hingenommen wird, als derjenige, den Jugendliche verursachen könnten. So darf beim Schützenverein munter weiter geschossen werden -trotz Beschwerden von Anwohner*innen und obwohl aktuell in Hör-Nähe des Schützenplatzes kriegstraumatisierte Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht werden sollen. (Ganz abgesehen davon, dass Schützenvereine per se Teil des
Problems in Deutschland sind, wenn es um die Bekämpfung von Rechtsextremist*innen mit legalem Waffenschein geht). Und natürlich wiegt auch die Stimme von Bewohner*innen eines Viertels mit vielen wohlhabenden Bewohner*innen immer weitaus mehr, als die Stimmen vieler junger Menschen. Entsprechend ist die Stadtpolitik auch in anderen Bereichen ausgerichtet:

Grundsatz 3: Klima- und Umweltschutz stören ebenso! In Aschaffenburg ist – ebenso wie in vielen anderen Kommunen – gut erkennbar, wie die einseitige Verwaltungs-Sicht auf die Stadt als reibungslos zu funktionierender Wirtschafts- und Konsumort auch einem effektiven Klima- und Umweltschutz diametral entgegensteht. Insbesondere in der Verkehrspolitik bleiben die längst überfälligen Schritte weg vom motorisierten Individualverkehr hin zur autofreien (Innen-)Stadt seit vielen Jahren völlig aus: Im Gegenteil, es werden immer neue unsinnige Straßenbauprojekte – wie aktuell die B26 am Schönbusch oder die B469 bei Großostheim umgesetzt. Und selbst kleinste Maßnahmen, die den Individualverkehr zugunsten des öffentlichen Nahverkehrs etwas unattraktiver machen könnten, werden schnell wieder zurück genommen, wenn die Wirtschaftslobby der innerstädtischen Gewerbetreibenden Druck macht: So wurde letztes Jahr eine geringe Erhebung der Parkgebühren nach kurzer Zeit wieder zurückgenommen. Und so wird auch dank günstiger Parkgebühren und stetigem Straßen-Ausbau Individualverkehr eher verstärkt weiter in die Stadt gelockt. Eine autofreie Innenstadt samt eines kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs würde indes nicht nur ein wichtiger Schritt für mehr Klimaschutz sein, sie würde darüber hinaus die Lebensqualität innerhalb der Stadt beträchtlich steigern. Auf den für Autos stillgelegten Straßen wäre dann endlich Platz für ein soziales öffentliches Leben, das diesen Namen auch verdient. Und es bestünde die Chance, dass die derzeitigen Stadtverwalter*innen und Stadträt*innen dort die nötige soziale Kompetenz erfahren und erlernen könnten, um eine Politik zu betreiben, die für die Menschen (auch die Jugendlichen) da ist und nicht für irgendwelche rasenden Blechkisten. Eine Politik, die zudem mehr unserer aller ökologischen Lebensgrundlage dient als den kapitalistischen Wirtschaftsinteressen Weniger.