Rede beim globalen Klimastreik am 24.09.2021

Beim globalen Klimastreik am 24.09.2021 wurde in Aschaffenburg vom Klimabündnis folgende Rede gehalten:

Viele von uns werden übermorgen auf die Wahlergebnisse schauen und hoffen, dass diejenigen Parteien stark abschneiden, die die Bekämpfung des Klimawandels zu einem ihrer Hauptanliegen erklärt haben.
Aber lassen wir uns nicht täuschen:
Die Parteien fliehen vor der Realität, aber das Klima holt auf – wie man leider auch an den kürzlichen Flutkatastrophen in Deutschland sieht. Nicht eine einzige der im Bundestag vertretenen Parteien hat ausreichende Konzepte, um der Klimakatastrophe gerecht zu werden.
Zu diesem Ergebnis kommen sowohl die Wahlprogramm-Analysen des Leipziger Vereins „Konzeptwerk neue Ökonomie“, sowie eine Studie des „deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung“.
Das mag niederschmetternd klingen, aber ist doch auch eher weniger verwunderlich: Denn keine der Parteien tritt konsequent für die längst überfällige Überwindung des globalen Wirtschaftssystems ein, vor allem nicht dann, wenn sie in Regierungsverantwortung ist. Es ist die Produktionsweise des Kapitalismus, die seit Jahrhunderten Menschen und Erde rücksichtslos ausbeutet und zerstört, um immer wieder mehr, mehr und noch viel viel mehr zu produzieren, von dem dann nur Wenige auf Kosten der Mehrheit der Menschen profitieren. Die Konzepte, die bei allen Parteien auf einen mehr oder weniger „grünen“ Kapitalismus hinauslaufen, sind reine Augenwischerei: Denn sie ändern nichts daran, dass die Gewinnmaximierung bestehen bleibt und im Zweifelsfall eine menschenfreundliche Politik immer untergeordnet wird.
Soziale Ausbeutungen und ökologische Verwüstungen vor allem im globalen Süden werden bestehen bleiben: mögen sich zwar die Rohstoffe ändern, die bei der angeblichen Verkehrswende beispielsweise zu E-Auto hin benötigt werden, so bleibt doch die Art ihrer menschen- und naturfeindlichen Gewinnung bestehen.
Deutschland soll in den Augen aller Parteien Exportweltmeister bleiben, also Gewinner im globalen und perfiden „Alle gegen Alle“-System, bei dem Reichtum weiterhin in den Ländern des globalen Nordens konzentriert bleibt, während die Mehrheit der Menschen weiterhin in Armut und Elend leben muss.
Und keine der Parteien will sich so richtig mit der Automobilindustrie – trotz all ihrer verbrecherischen Taten – anlegen: Die meisten verkehrspolitischen Vorschläge setzen weiterhin maßgeblich auf den Individualverkehr, dessen Hinwendung von Verbrenner- zu E-Motoren weiter massive ökologische Schäden verursachen wird. Während die Auto-Industrie also weiter gepampert und von der Allgemeinheit finanziell gefördert werden soll, tut sich wenig beim längst überfälligen Ausbau des Gemeinschaftsverkehrs. Es bleibt bei reinen Lippenbekenntnissen der Politik:
Auch in Aschaffenburg wird weiterhin auf Autos gesetzt, die immer noch beinahe jeden Zentimeter der Innenstadt befahren dürfen: Projekte wie die Umweltstraße sind dabei eine peinliche Farce. Sie ist nur ein paar Meter lang und wird selbst in ihrer Kürze weiterhin von Autos frequentiert. Die Verwaltung bemüht sich dagegen eher um fragwürdige Nachhaltigkeitspreise, die in Kooperation mit denjenigen Firmen vergeben werden, die global zu den meisten Umweltschäden beitragen. Eine konsequente Politik für Klimaschutz und eine ökologische Stadt ist
dagegen nicht erkennbar, sondern man feiert sich lieber selbst und kümmert sich um Klimaanpassungsstrategien.
Egal also, wer übermorgen die Wahl gewinnt: es wird weiterhin an außerparlamentarischen sozialen Bewegungen wie uns liegen, auf der Straße für einen Politik-Wechsel zu kämpfen und gegen die fortschreitende soziale und ökologische Verwüstung der Erde. Lassen wir uns auch nicht erzählen, dass das nicht bezahlbar wäre – wenn wir gleichzeitig Banken und Airlines ohne Grenzen retten. Unsere Stimme und unser Protest auf der Straße sind dringender denn je benötigt:
Als der Weltklimarat Anfang August „Alarmstufe Rot“ für die Menschheit ausrief und eindrücklich vor einem drohenden Kontrollverlust im Kampf gegen den Klimawandel warnte, blieb es weltweit erstaunlich ruhig. Viel zu ruhig: Bezeichnenderweise spielte diese Warnung nicht einmal im Wahlkampf eine besondere Rolle. Schnell wurde zur Tagesordnung übergegangen. Dabei steht nicht weniger auf dem Spiel, als die Frage, ob dieser Planet weiterhin potentiell für alle Menschen ein lebenswerter sein kann oder nicht.
Sorgen also wir dafür, dass unser Protest unüberhörbar laut weitergeht und sich kompromisslos für ein radikales Umsteuern einsetzt. Machen wir noch deutlicher, dass ein bisschen Reformpolitik weder den Klimawandel noch soziale Ausbeutung beenden wird.


System Change statt Climate Change!!!